Blog
Allgemein
Die Marktüberwachungsverordnung (Mü-VO) der Europäischen Union (EU) könnte vielen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bringen – oder auch zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Die EU-Mitgliedsstaaten werden durch die Verordnung befähigt, besser zusammenzuarbeiten, um die Konformität von Produkten sicherzustellen. Dadurch werden Schlupflöcher für nicht konform arbeitende Unternehmen geschlossen. Diese müssen erheblich investieren, um ihren Marktzugang aufrecht zu erhalten. Entscheidend wird die Qualität der Produktdaten in der Lieferkette sein. Bislang war es vergleichsweise einfach, Artikel in der EU in Verkehr zu bringen, die nicht die gesetzlichen Anforderungen an beispielsweise die Chemikalienverordnung REACH erfüllen. Zwischen den Behörden der EU-Mitgliedstaaten gab es wenig Koordination und auch Kommunikation und die gesetzlichen Vorgaben wurden je nach Land sehr unterschiedlich durchgesetzt. Die Mü-VO (EU-Verordnung 2019/1020) soll dies ändern. Sie tritt zu einem großen Teil am 16. Juli 2021 in Kraft und wird den EU-Staaten dabei helfen, nahezu alle Non-food-Produkte auf dem europäischen Markt zu überwachen. Unter anderem werden die Definitionen von „Wirtschaftsakteur“ und „Inverkehrbringen“ erweitert, was sich auch auf den Online-Handel auswirkt. Zum Beispiel werden künftig auch so genannte Fulfilment-Dienstleister als Wirtschaftsakteure in die Pflicht genommen. Als solcher gilt, wer mindestens zwei der vier Dienstleistungen Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung oder Versand anbietet. Insgesamt werden Behörden leichter gegen Risiken für die europäische Bevölkerung vorgehen können. Verbraucher:innen sollen dadurch vor gesundheits- und umweltschädlichen Produkten besser geschützt werden.
UPCN-Netzwerk ermöglicht Behörden auch Zugriff auf SCIP-Datenbank
Insgesamt gibt es 70 verschiedene Verordnungen und Richtlinien, die Bedingungen für den EU-Marktzugang festlegen. Neben REACH gehören dazu unter anderem die RoHS-Richtlinie zur Verwendung gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten, die CLP-Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung sowie die Verordnung über Medizinprodukte. Durch die Mü-VO wird es den Behörden nun erleichtert, Produkte mit den gesetzlichen Anforderungen zu vergleichen und solche zu identifizieren, bei denen Informationen fehlen oder zu ungenau sind. Zwar sind die zugrunde liegenden gesetzlichen Vorgaben längst in allen EU-Staaten gleichermaßen in Kraft. Jedoch lag die Verantwortung, sie durchzusetzen, bislang hauptsächlich bei jenen Staaten, in denen die Artikel zuerst verkauft oder in Verkehr gebracht wurden. Diese gingen dabei uneinheitlich vor und bemühten sich eher selten um grenzübergreifende Zusammenarbeit. Das lang auch daran, dass die Behörden kein gemeinsames Mittel zum Austausch von Informationen, das die verschiedenen Verordnungen umfasste. Die neue Mü-VO bietet den Vollzugsbehörden nun eine zentrale Möglichkeit, auf alle Compliance-Daten zuzugreifen: im Union Product Compliance Network (UPCN). Dieses Netzwerk wird den Behörden schneller und umfassender Informationen über Produkte wie Produkttests, enthaltene besonders Besorgnis erregende Stoffe (SVHC) und auch Daten aus der neuen SCIP-Datenbank liefern. Hierdurch werden die Behörden mehr Möglichkeiten haben, Daten zu überprüfen und Verstöße aufzudecken.
Wirtschaftsakteure werden bei Produkt-Compliance stärker in die Pflicht genommen
Für alle Produkte, die in der EU angeboten werden, muss gemäß der neuen Verordnung ein in der EU niedergelassener Wirtschaftsakteur verantwortlich sein. Dieser muss die EU-Konformität prüfen. Falls von einem Produkt Risiken ausgehen, muss der verantwortliche Akteur die Marktüberwachungsbehörden benachrichtigen. Auch auf Verlangen der Behörden muss er entsprechende Unterlagen vorlegen können. Auf behördliche Anordnung sind dann unmittelbar Korrekturen zu veranlassen oder Risiken zu mindern – letzteres auch auf eigene Initiative hin, falls es sich um ein riskantes Produkt handelt. Wichtig ist auch, dass die Mü-VO sich perspektivisch auch auf die Umwelt-Compliance von Produkten auswirken dürfte. Dann könnten auch Dienstleister, Fulfilment-Anbieter sowie Online-Shops verpflichtet werden, die Vorgaben der „erweiterten Produzentenverantwortung“ zu erfüllen, in der geregelt ist, wie die Entsorgung von Elektrogeräten, Verpackungen und Batterien finanziert wird. Die genannten Akteure müssten dann prüfen, ob die Vorgaben eingehalten werden und wären für Verstöße verantwortlich. Für Online-Shops könnte das bedeuten, dass Dienstleister sie im Zweifelsfall fallen lassen, falls eine Überprüfung ergibt, dass sie der erweiterten Produzentenverantwortung nicht gerecht werden.
Behörden werden sich stärker auf nicht-konforme Artikel konzentrieren können
Insgesamt werden die Befugnisse von Behörden mit der Verordnung stark erweitert. Marktüberwachungs-, Zoll- und Vollzugsbehörden aus allen Mitgliedstaaten werden leichter Daten austauschen können. So werden sich die Behörden zunehmend auf nicht konforme Artikel konzentrieren können – und Unternehmen mit konformen Artikeln haben deutliche Vorteile. Sie werden nicht angemahnt Abhilfe zu schaffen, wie es zunehmend zu erwarten ist. Sie werden auch nicht zu Warnhinweisen auf Webseiten verpflichtet, wodurch sich ihre Reputation verschlechtert. Auch müssen sie keine Kosten tragen wie jene Unternehmen, die gegen gewisse Regeln verstoßen. All diese neuen Befugnisse verleiht die Mü-VO den zuständigen Behörden EU-weit. Die Behörden können auch unangekündigt Inspektionen durchführen, dürfen Beweismittel vor Ort sichern, können unter falscher Identität Produktproben kaufen oder durch Reverse Engineering nachvollziehen, wie ein Produkt funktioniert. Es ist zu erwarten, dass auch verstärkt und höhere Strafen zu zahlen sind als bislang, weil die Behörden nun die Kosten für die Identifizierung von Risiken und die Überwachung von Maßnahmen nicht-konformer Unternehmen bei diesen wieder hereinholen können.
Vorteil für organisierte Unternehmen mit lückenloser Daten-Dokumentation
Wenn sich Ihr Unternehmen schon seit längerer Zeit mit regulatorischen Fragen beschäftigt und Prozesse der Datenweitergabe entlang der Lieferkette gut organisiert hat, kann es künftig punkten. Falls nicht, ist unter Umständen noch viel Fachwissen aufzubauen. Auch Daten über die Zusammensetzung von Produkten müssen gesammelt und validiert werden. Zudem sind parallel oft interne Abläufe neu zu strukturieren. Allein, um die Dossiers für die SCIP-Datenbank zu erstellen, ist viel technisches Wissen nötig. Außerdem ändern sich die Stofflisten, die den gesetzlichen Vorgaben zugrunde liegen, stetig, so dass Unternehmen am Ball bleiben müssen, um Neuerungen nicht zu verpassen.
Zeit für Investitionen in dauerhaft gute Produkt-Compliance
Wenn Ihr Unternehmen also noch nicht in die Verwaltung von Compliance-Daten oder -Prozessen investiert hat, sollte es dies schnell nachholen. Größere Unternehmen mit sehr breiten Lieferketten bereiten sich schon lange auf die neuen Regelungen vor und werden dadurch erhebliche Vorteile haben. Viele Unternehmen werden schon vor der offiziellen Meldepflicht für die SCIP-Datenbank am 5. Januar 2021 Erzeugnisse identifiziert und dort eingetragen haben, die mehr als 0,1 Prozent besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) enthalten. Denn schon ab diesem Datum können die Mitgliedstaaten die Infrastruktur und den Rechtsrahmen der Mü-VO nutzen, um Vorschriften gemeinsam durchzusetzen und Abhilfe bei nicht-konformen Produkten zu fordern. Vor allem einige Regelungen bezüglich der europäischen und internationalen Zusammenarbeit treten schon am 1. Januar 2021 in Kraft. Dies kann bedeuten, dass die Unternehmen ihre Produkte nachbessern oder diese ganz vom Markt nehmen müssen. Wer also schon jetzt seine Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette ernst nimmt, kann sich einen deutlichen Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen, während sich diese unter Umständen mit Produktrückrufen, Reputationsschäden, Kosten und verlorenen Verträgen konfrontiert sieht. Falls ein Produkt nämlich die Sicherheits-, Gesundheits- oder Umweltvorgaben nicht erfüllt, können die Behörden eine Korrektur verlangen oder – falls nicht möglich – dessen Auslieferung verhindern oder, falls schon auf dem Markt, es auch in Kombination mit einer öffentlichen Warnung zurückrufen. Letztlich könnten nicht konforme Produkte auf Anordnung der Behörden auch unbrauchbar gemacht oder vernichtet werden.
Auch seriöse Unternehmen müssen bei Sorgfaltspflichten am Ball bleiben
Seriöse Akteure werden durch die Mü-VO letztlich gestärkt. Auch für sie wird es jedoch zunehmend wichtiger, sich auf Produkt-Compliance zu fokussieren, um rechtlich abgesichert zu sein. Vertrauen in Lieferanten und andere Kooperationspartner ist ein wichtiger Baustein für ihre Material-Compliance-Strategie. Dazu müssen die verantwortlichen Akteure klar kommunizieren und Schwierigkeiten im Informationsfluss entlang der Lieferkette erkennen und beheben können. Außerdem sollten sie sich in der Wahl der technischen Plattformen sicher sein, um ihre Aktivitäten bestmöglich abzuwickeln – extern wie auch intern. Denn auch dass die Abteilungen im eigenen Unternehmen Informationen verschlüsselt und sicher, aber auch zugänglich miteinander austauschen, ist eine Herausforderung, die oft zusätzlichen Schulungsbedarf erfordert. Der Zugang zu fachlicher Expertise wird für Unternehmen also zunehmend wichtig.
Wir bei imds professional befassen uns als EU-weit führender Schulungsanbieter im Bereich IMDS und Material Compliance schon lange mit diesen Themen. Daher können wir Sie schnell und fundiert mit den wesentlichen Anforderungen vertraut machen oder diese Prozesse als externer Dienstleister für Sie übernehmen. Sprechen Sie uns an!
Quellen:
https://www.jdsupra.com/legalnews/a-look-at-the-eu-market-surveillance-21864/
https://blog.assentcompliance.com/index.php/reach-enforcement-what-the-market-surveillance-regulation-means-for-your-company/